ZeitZentrumZivilcourage

ZeitZentrumZivilcourage

Im Foyer des ZeitZentrums Zivilcourage. Visualisierung: gwf-ausstellungen

Mitmachen oder Widerstehen

Lernort zur hannoverschen Stadtgesellschaft im Nationalsozialismus

 

In zentraler Lage gegenüber dem Neuen Rathaus im Gebäudekomplex Rathauskontor entsteht momentan der außerschulische Lernort ZeitZentrum Zivilcourage, der ab Spätsommer 2020 sowohl für Schüler*innen als auch für alle Interessierten offensteht.

 

Der außerschulische Lernort ZeitZentrum Zivilcourage der Landeshauptstadt Hannover vermittelt die Geschichte der hannoverschen Stadtgesellschaft im Nationalsozialismus, von Verfolgung, aber auch von   Widerstand, Zuschauer- und Täterschaft. Unter dem Motto „Mitmachen oder Widerstehen“ werden die Besucher*innen dazu angeregt, sich kritisch mit den Handlungs- und Entscheidungsmöglichkeiten der Menschen in der Vergangenheit auseinanderzusetzen und ein demokratisches Zusammenleben in Gegenwart und Zukunft zu reflektieren.

 

Lokal – Interaktiv - Biographisch

Das ZeitZentrum Zivilcourage vermittelt die Geschichte des Nationalsozialismus am lokalen Beispiel Hannover. Inhaltlich werden sowohl die Ursprünge der faschistischen Diktatur in Hannover

als auch das Wirken rechtsextremer Organisationen bis in die Gegenwart einbezogen. Das Wissen über die NS-Zeit in Hannover zu vervollständigen und zu vermitteln ist eine Daueraufgabe der Städtischen Erinnerungskultur.

Das ZeitZentrum Zivilcourage verbindet die historische Darstellung mit interaktiven Vermittlungsangeboten. Durch die offene und vielschichtige Ausstellungsgestaltung und Workshop-Einheiten zu Demokratie und Zivilcourage werden die Besucher*innen dazu angeregt, sich ausgehend von ihren Fragen und Interessen die Inhalte selbst zu erschließen.  

Den Mittelpunkt der Ausstellung bildet der biographische Zugang. Die Biographien von insgesamt 45 Menschen in Hannover können in ihrem historischen Kontext im Spannungsfeld zwischen „MITMACHEN ODER WIDERSTEHEN“ erkundet werden. Mit dem Querschnitt der gesamten hannoverschen Stadtgesellschaft (von verfolgte Opfern und Widerstandskämpfern und Widerstandskämpferinnen bis hin zu den Mitgliedern der „Volksgemeinschaft“, Profiteuren und Täter*innen) wird die Komplexität des sozialen Geschehens eingefangen und ein multiperspektivischer und kontroverser Blick auf Geschichte und Erinnerung angeregt.

 

Namensgebung ZeitZentrum Zivilcourage

Über die Namensgebung für den zukünftigen Lernort wurde in verschiedenen Gremien beraten und die Meinung unterschiedlicher Akteure der Stadtgesellschaft durch Beteiligungsprozesse einbezogen. Der Name soll ausdrücken, dass es sich nicht um eine Gedenkstätte handelt, sondern um einen Lernort, an dem gelernt und diskutiert wird, an dem sich begegnet wird und der sich aufgrund von Lernprozessen und Erfahrung verändern darf.

Es geht um Querschnitthemen des menschlichen Zusammenlebens; Fragen zu unterschiedlichen Zeitschichten - Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft – werden an diesem Ort zusammenzuführt. Der Name als Aushängeschild steht für den dialogischen Charakter der Einrichtung.

Unterschiedliche Namensvorschläge wurden entworfen, erörtert und verworfen. Zuletzt blieb unangefochten und mit großer Mehrheit bei jungen und älteren Menschen, ehrenamtlichen wie professionellen Beteiligten folgender Name, der am 18. Januar 2019 vom Kulturausschuss der Landeshauptstadt Hannover beschlossen wurde: ZeitZentrum Zivilcourage

Konzept

Das ZeitZentrum Zivilcourage bietet vier Vermittlungsebenen. Im Zentrum steht:

1. Das Lernen an/mit Biographien

Davon ausgehend bietet der Lernort den Zugang über:

2. Die Chronologie der Ereignisse

3. Die Topographie der Stadt mit ihren historischen Spuren

4. Eine Gegenwartsorientierung

 

Die vier Vermittlungsebenen finden sich in sechs Modulen auf über 600 qm wieder:

- „Menschen in Hannover?“ – Die Biographien von 45 Menschen in Hannover laden Besucher*innen ein, die Geschichte des Nationalsozialismus in Hannover auf einer sehr persönlichen Weise zu erkunden.

- „Mein Erbe?“ ist eine chronologische Darstellung zentraler Ereignisse der hannoverschen Stadtgeschichte zwischen 1933 und 1945, einschließlich ihrer Bezüge zur Vor- und Nachgeschichte sowie der reichsweiten Geschichte. Das   Modul vermittelt historisches Grundwissen.

- In dem Modul „Meine Nachbarn?“ werden einzelne Themen wie „Jugend“ und „Widerstand“ und 13 ausgewählte Biographien vertiefend und inszeniert dargestellt.

 

Visualisierung des Moduls „Meine Nachbarn?“ im Untergeschoss des ZeitZentrum Zivilcourage

- „Meine Stadt?“ hat einen topographischen Zugang und nutzt vorwiegend digitale Vermittlungsformen.

-  In „Meine Fragen?“ stehen vertiefende Informationen zu den Ausstellungsinhalten – sowohl analog als auch digital kann weiter recherchiert werden.

- Das Modul „Meine Welt?“ setzt auf die Verbindung von Geschichte und der gegenwärtigen Lebenswirklichkeiten von jungen Menschen. Das inszenierte Jugendzimmer bietet eine interaktive Lernumgebung. Es wurde im Rahmen    eines Beteiligungsprojekts von jungen FSJler*innen 2018/2019 entwickelt und durch Bühnenbildner*innen umgesetzt.

 Das Konzept für das ZeitZentrum Zivilcourage wurde am 9. Juni 2017 im Kulturausschuss der Landeshauptstadt vorgestellt und einstimmig verabschiedet.

 Das Konzept wurde von Historiker*innen der Städtischen Erinnerungskultur unter der Projektleitung von Dr. Karljosef Kreter entwickelt.Ein wissenschaftlicher Beirat aus Historiker*innen, Pädagog*innen und Gedenkstättenmitarbeiter*innen berät seit 2011 die Landeshauptstadt Hannover in der Herausformung eines erinnerungskulturellen Profils und hat die Städtische Erinnerungskultur bei der konkreten Konzeptentwicklung umfassend unterstützt.

 

Mitglieder des wissenschaftlichen Beirats

  • Die Amtsinhaber*innen des Kulturdezernats
  • Prof. Dr. Detlef Schmiechen-Ackermann, Leibniz-Universität Hannover, Sprecher des Beirats
  • Dr. Ulrich Baumann, Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden Europas
  • PD Dr. Andreas Brämer, Institut für die Geschichte der deutschen Juden
  • Stefanie Burmeister, Gedenkstätte Ahlem der Region Hannover
  • Dr. Karola Fings, El-De Haus Köln (Sprecherin bis 2016)
  • Friedrich Huneke, Leibniz Universität Hannover und St. Ursula-Schule
  • Bärbel Jogschies, Staatsschauspiel Hannover
  • Dr. Horst Meyer, Netzwerk Erinnerung und Zukunft e.V. (bis 2020)
  • Ltd. MinRat a.D. Albrecht Pohle
  • Reinhard Schwitzer, 1. Bevollmächtigter der IG Metall Hannover i.R.
  • OStD Martin Thunich, Wilhelm-Raabe-Schule Hannover
  • Klaus Farin, Stiftung Respekt!

Pädagogik

Seit Mai 2019 wird das Team der Städtischen Erinnerungskultur durch zwei Pädagog*innen unterstützt, die das pädagogische Konzept ausarbeiten und Angebote für Gruppen- und Einzelbesuche entwickeln.

Ab Herbst 2020 können pädagogische Angebote gebucht werden. Sie können in unterschiedlichen Zeitlängen und inhaltlichen Schwerpunktsetzungen angefragt werden. Im Vordergrund stehen dialogische Workshopformate in Kleingruppen mit folgenden didaktischen Prinzipien:

Ausgangspunkt sind vielfältige Lebensgeschichten von Hannover*innen, die einen exemplarischen Zugang zum Thema Nationalsozialismus, Antisemitismus und Rassismus ermöglichen. Die Schüler*innen werden zum forschenden Lernen angeregt, um Geschichte selbstbestimmt durch eigene Fragen und Interessen zu erkunden. Die Lebenswelten der Schüler*innen bilden den Ausgangspunkt für die inhaltliche und methodische Arbeit.

Historisches Lernen wird in ergebnis- und konfliktoffene Diskussionsräume mit Fragen des Handelns- und Entscheidens im Hier und Jetzt verbunden.  Das ZeitZentrum Zivilcourage folgt einem modularen Prinzip, vermeidet Barrieren und ermöglicht unterschiedlichen Menschen einen Zugang. Alle Formate sind interaktiv und partizipativ gestaltet und regen zum Mitmachen und Gestalten ein.

Bereits jetzt vor der Eröffnung werden die Workshops mit Gruppen unterschiedlicher Jahrgangsstufen und Schultypen bei Testläufen umfassend getestet, evaluiert und weiterentwickelt. Zahlreiche Kooperationen mit Schulen, aber auch außerschulischen Bildungseinrichtungen konnten bereits geschlossen werden.

Teilhabe und Zusammenarbeit

Das ZeitZentrum Zivilcourage ist Teil der Stadtgesellschaft. Er soll allen Menschen offenstehen – nicht nur für einen Besuch, sondern für einen produktiven Austausch. Das ZeitZentrum Zivilcourage ist als wachsendes System konzipiert, das sich an zukünftigen Anforderungen orientiert. Besonders wichtig ist daher auch die Zusammenarbeit mit anderen Bildungsinstitutionen wie der Leibniz Universität Hannover, dem Stadtarchiv und dem Historischen Museum Hannover sowie vor allem mit der Gedenkstätte Ahlem, aber auch mit den vielen zivilgesellschaftlichen Initiativen, die lokal verortet wichtige Gedenk- und Vermittlungsarbeit leisten. Viele von ihnen sind im Netzwerk Erinnerung und Zukunft e.V. organisiert, mit dem eine enge Kooperation besteht. 

Der zukünftige Lernort richtet sich in großen Bereichen auch an Schul- bzw. Jugendgruppen. Daher werden von Beginn an Jugendliche in die konkrete Umsetzungsphase durch Beteiligungsprozesse eingebunden.  So hat eine Gruppe von jungen Menschen, die einFreiwilliges Soziales Jahr Kultur oder Politik absolvieren, das Jugendzimmers für das Modul „Meine Welt?“entwickelt. Die Beteiligung von FSJlern in Zusammenarbeit mit der Landesvereinigung kulturelle Jugendbildung e.V. wird fortgeführt.